Virtual Sensing in der Vibroakustik
In der modernen Industrie ist die Analyse von Schwingungen und Geräuschen (Vibroakustik) ein entscheidender Faktor für die Qualitätssicherung, Produktoptimierung und Wartung von Maschinen und Fahrzeugen. Besonders in der Automobilindustrie, im Maschinenbau und in der Luftfahrttechnik spielt die NVH-Analyse (Noise, Vibration, Harshness) eine zentrale Rolle. Während physische Sensoren zur Messung von Schall und Vibrationen weit verbreitet sind, bietet Virtual Sensing eine innovative, kosteneffiziente und hochflexible Alternative. Doch was steckt hinter diesem Konzept, welche Vorteile bietet es, und wie können wir Ihr Unternehmen mit dieser Technologie unterstützen?
Was ist Virtual Sensing?
Virtuelle Sensoren, auch als Softsensoren, Proxy-Sensoren oder inferentielle Sensoren bezeichnet, sind softwarebasierte Systeme, die physische Sensoren nachbilden und deren Verhalten simulieren können, um Messwerte zu generieren, ohne dass physische Hardware erforderlich ist. Sie nutzen vorhandene Messdaten und Prozessparameter, um mithilfe mathematischer Modelle und Algorithmen Schätzungen für schwer messbare oder nicht direkt zugängliche Größen zu berechnen. Diese Technologie ermöglicht es, physische Sensoren durch virtuelle Modelle zu ersetzen oder zu ergänzen, was Kosten reduziert und die Flexibilität erhöht.IECWikipedia
Ein Beispiel für den Einsatz virtueller Sensoren ist die Überwachung von Motoren in der Industrie. Hierbei werden physikbasierte Modelle verwendet, um kritische Temperaturen von Motoren zu überwachen, ohne zusätzliche physische Sensoren installieren zu müssen. In der Automobilindustrie ermöglichen virtuelle Sensoren die Schätzung des Schalldrucks im Fahrzeuginnenraum, ohne physische Mikrofone einsetzen zu müssen. Siemens Blog
Wie funktioniert Virtual Sensing?
Akustische Messgrößen werden mithilfe mathematischer Modelle und Algorithmen, anstatt ausschließlich auf physische Sensoren zu setzen, in Echtzeit berechnet. Dabei werden vorhandene Messdaten mit numerischen Simulationen, Machine Learning und physikalischen Modellen kombiniert, um präzise Vorhersagen über das Schwingungs- und Geräuschverhalten zu treffen. So können kritische Parameter, die sonst nur schwer oder mit großem Aufwand messbar wären, zuverlässig bestimmt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung virtueller Sensoren, die im Inneren einer Maschine platziert werden und während des Betriebs laufend Messdaten generieren. Dadurch können beispielsweise Vibrationen an Lagern oder Wellen virtuell gemessen und Vorhersagen getroffen werden.
Welche Anwendungsbereiche lassen sich mit Virtual Sensing in NVH Analysen abdecken?
- Zustandsüberwachung und Fehlerdiagnose: Durch die Echtzeitüberwachung kritischer Bauteile lassen sich Abweichungen vom Normalverhalten frühzeitig erkennen und ungeplante Stillstände vermeiden. Beispielsweise ermöglicht die virtuelle Sensorik die Schätzung des Schalldrucks im Innenraum von Fahrzeugen, ohne den Einsatz physischer Mikrofone .
- Schall- und Schwingungsreduktion: Die Optimierung von Maschinenbauteilen zur Reduzierung störender Geräusche trägt zur Verbesserung der Produktqualität und des Nutzerkomforts bei.
- Predictive Maintenance: Die vorausschauende Wartung auf Basis virtueller Messwerte ermöglicht die gezielte Planung von Instandhaltungsmaßnahmen, wodurch Wartungskosten gesenkt und Ausfallzeiten minimiert werden.
- Validierung von Designänderungen: Ingenieure können verschiedene Konstruktionsvarianten virtuell testen, bevor physische Prototypen gebaut werden, was die Entwicklungszeit und -kosten erheblich reduziert.
Wie setzen wir die Technologie um?
Für uns steht die Verlässlichkeit der virtuellen Sensorik an oberster Stelle. Daher ist ein robustes und zuverlässiges Modell unerlässlich - denn die Qualität der virtuellen Messdaten steht in direktem Zusammenhang mit der Qualität des zugrundeliegende Modells. Aus diesem Grund arbeiten wir mit verschiedenen Methoden um ein echtzeitfähiges Modell für jede Komplexität zu entwickeln:
- Analytische Zusammenhänge
Wir modellieren das Systemverhalten mit mathematischen Gleichungen, die das physikalische Verhalten beschreiben. Dieser Ansatz funktioniert jedoch nur für einfache physikalische Systeme, die praktisch kaum Relevanz haben. - Hybrider analytischer-FEM Ansatz
Mit steigender Komplexität haben sich numerische Verfahren wie bspw. die Finite Elemente Methode (FEM) als Standardmethode bewährt. Jedoch benötigt die Lösung vergleichsweise viel Zeit, sodass das Echtzeitverhalten verloren geht. Durch die Kombination der analytischen Beschreibung (solange sie existiert) und der FEM kann der Rechenaufwand entsprechend reduziert und die Komplexität beibehalten werden. - Modellordnungsreduktion (MOR)
Durch die Modellierung mittels FEM entstehen in der Regel sehr große Gleichungssysteme, die sog. Systemmatrizen enthalten. Die Lösung ist mit hohen numerischen Aufwand und Rechenzeit verbunden. Moderne Verfahren der Modellordnungsreduktion erlauben eine Verkleinerung der Systemmatrizen ohne besonders hohe Einbußen in der Genauigkeit. Das ursprüngliche White-Box Modell wird dadurch zur Black-Box, die nur noch die Systemdynamik für die virtuellen Sensoren enthält und in quasi Echtzeit gelöst werden kann.
Unsere erprobten Verfahren umfassen:- Modale Reduktion
- Krylov-Unterraum Verfahren
- Statistische Ersatzmodelle
Mit modernen statistischen Verfahren bauen wir mathematische Ersatzmodelle auf, die das Systemverhalten approximieren. Je nach Verfahren werden unterschiedliche Trainingsdaten benötigt. Diese können auf einem Datensatz von Experimenten liegen oder generisch mit Simulationen erzeugt werden.
Unsere erprobten Verfahren umfassen:- Deep Neural Networks
- Gaußprozesse
- Polynomial Chaos Expansion
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